In mir wurzelt dieser Satz aus meinen Kindheitstagen. Meine früheste Erinnerung: Ich, im Volksschulalter, meine Mutter, wie sie den Satz zu mir sagt – und ich, die da steht und ihr Zimmer aufräumen soll und gar keine Lust dazu hat.
Ich bekam den Satz auch zu hören, wenn ich meinen Gürtel suchte, wenn ich erzählte, dass ich ein Schulbuch nicht mehr finde oder wenn ich keine Lust hatte, die Schultasche am Vortag zu packen. „Ordnung ist das halbe Leben", sagte meine Mutter immer zu mir. Mal klang es wie eine alte Weisheit, die sie zum x-ten Mal wiederholte, mal hörte ich den Satz als Vorwurf, mal als seufzendes Nebenkommentar, wenn ich in meinem Durcheinander etwas suchte.
Ich gehörte zu den Teenagern mit dem chaotischen Zimmer. Den stumpfen Bunt- und Bleistiften und den zerfledderten Büchern. Wenn meine Mutter den Spruch sagte, verdrehte ich die Augen. Ich hatte keine Ahnung, was Ordnung ist, wie man sie schafft oder gar aufrechterhält. Ich war – als Kind meiner Eltern, in ihrer Wohnung lebend – in dieser Hinsicht unbelehrbar.
Irgendwann gab meine Mutter auf, und „Ordnung ist das halbe Leben" wurde ersetzt durch: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr." Ich gab ihr damals recht. In Wahrheit liebte ich Ordnung: ein schön aufgeräumtes Zimmer, wenn eine Hausaufgabe mal richtig hübsch und gut strukturiert aussah oder wenn ich selbst einmal ganz ordentlich aussah. Aber Ordnung immer zu halten war mir zu aufwendig!
Ich hielt mich deshalb für faul. Auch meine Eltern hielten mich für faul. Heute weiß ich: Weder meine Eltern noch ich hatten als „Hänschen" die Möglichkeit, die Zeit oder die Basis, um mir Ordnung wirklich beizubringen. Gott sei Dank!
Metaphorisch gesprochen hat sich das Chaos meines Kinderzimmers nämlich im Laufe meines Lebens weiter ausgebreitet – und hätte ich das nicht erlebt, wäre ich nie Kinesiologin geworden. Und wäre ich das nicht geworden, wäre ich niemals Lebens- und Sozialberaterin geworden. Und wäre ich das nicht geworden, hätte ich niemals das Bewusstsein, den Antrieb und die Umsetzungsfähigkeit erlangt, mein
Leben in die tatsächlichen, für mich vorgesehenen Bahnen zu lenken – wodurch ich in Ordnung gekommen bin.
Ordnung im Leben ist nämlich weitaus mehr als ein aufgeräumtes Zimmer. Ordnung im Leben kann bedeuten, das eigene Leben in die eigenen, echten Bahnen zu lenken, statt den systemischen Vorgaben und Erwartungen von Großeltern oder Vorfahren zu folgen. Und wenn man es schafft, dass Ordnung das halbe Leben ist, dann kann die andere Hälfte mit Freude, Lebensqualität, Spaß, Wohlbefinden und Glück gefüllt werden.
Ich persönlich finde es absolut genial, dass Lebens- und Sozialberater*innen automatisch auch Coaches sind. Wenn man die Ausbildung macht und abschließt, ergibt das plötzlich so viel Sinn: Der LSB, der mit Rat und Tat zur Seite steht, der Verständnis und ein offenes Ohr für Gefühle, Emotionen und das Dampfablassen hat – die weiche, ruhige Antwort auf Krisen. Und der Coach: kreatives,
lösungsorientiertes Denken, völlig anpassbar an die aktuellen Ressourcen des Individuums. Der Coach steht nicht nur unterstützend bei der Bewältigung von Hindernissen zur Seite, sondern bringt auch den frischen Blick von außen ein und lenkt die bereits vorhandenen Kräfte des Coachees in neue Bahnen.
Hätte ich als Kind gelernt, wie ich mein Zimmer aufräume, wäre ich wahrscheinlich auf dem wirtschaftlich-administrativen „Karrieretrip" geblieben, auf dem ich mich mal befand. Aber mein Zimmer war unordentlich, das Aufräumen kostete mich viel Kraft –
und so zog sich meine „Inkompetenz" tiefer durch mein Leben, bis ich als Erwachsene und 2fache Mutter in meinem Kopf so überladen war, dass ich Texte manchmal nicht mehr sinnerfassend lesen konnte. „Ordnung halten" zu können ist die Ur-Basis der Selbstfürsorge. Eine gesunde
Selbstfürsorge wiederum ist die Grundlage, die wir brauchen, um gute Entscheidungen für uns selbst zu treffen – in unserem Sinne. Und gute, selbst bestimmte Entscheidungen sind die Basis für ein Leben im Einklang mit sich selbst. Denn nur, wenn wir im Einklang mit uns selbst sind, geht es uns wirklich gut.
Leben und entscheiden wir jedoch so, dass im Zentrum immer jemand anderes steht, zeigt uns das unser Leben oder unser Körper früher oder später durch seelische oder körperliche Krankheiten. Man sagt: Am meisten sind wir selbst als Kinder. Dann aber kommen Erziehung und die Wertvorstellungen unserer Eltern hinzu – und entfernen uns manchmal von unserem wahren Kern, unserem Selbst.
Dazu kommen die „Dos and Don'ts" der Gesellschaft, die „Benimm-Dich"-Regeln unseres sozialen Miteinanders, die erste Freundschaft, Partnerschaft, das erste gebrochene Herz, die erste Zurückweisung, der erste Misserfolg usw. – alles
Erlebnisse, bei denen unser inneres Gefühlsleben in ständiger Kommunikation mit unserer Außenwahrnehmung steht. Dadurch entstehen manchmal Problemlösungen, die uns von unserem Selbst weiter entfernen.
Das kann so weit gehen, dass wir gar nicht mehr merken, dass wir bei Entscheidungen unser eigenes Selbst gar nicht mehr in den Mittelpunkt stellen, sondern stattdessen die Bedürfnisse von anderen: Partnerin, Elternteil, Freundin, Vorgesetzten, Kolleg*innen – oder den eigenen Kindern.
Das kann eine Zeitlang sogar gut gehen. Ich kenne genügend Menschen, die ihr ganzes Leben so verbringen und ehrlich glücklich sind. Aber es gibt auch Menschen, die irgendwann das Gefühl haben, in einer Sackgasse zu sein – oder sich nur noch im Kreis zu drehen. Und wenn man dabei beginnt, allmählich unzufrieden oder gar unglücklich zu werden, ist es höchste Eisenbahn: Man nehme die Zügel endlich wieder selbst in die Hand und werde seines eigenen Glückes Schmied!
Und ja, das geht. Mit dem richtigen Team und der richtigen Unterstützung kann dieser Weg ein regelrechtes Abenteuer voller Aufs und Abs sein, auf das man – wenn man es geschafft hat – lächelnd zurückblickt. Und plötzlich Stolz empfindet: nämlich den Stolz auf sich selbst.
Ich persönlich empfehle dafür natürlich Lebens- und Sozialberatung. Ich selbst habe dafür Kinesiologie – mein Gang in die Tiefe – und Coaching – mein
lösungsorientierter Ressourceneinsatz – gebraucht. Aber, es ist ja auch nicht jede*r so ein Sturkopf wie ich.
Autorin: Amela Bijeljinac wurde schon als Kind gesagt, dass sie einmal einen sozialen Beruf ausüben sollte – was auch zahlreiche Persönlichkeitstests und Berufschecks bestätigten. Trotzdem musste sie erst über 30 werden, um den Wunsch, eine wirtschaftlich-administrative Führungskraft zu sein, endgültig loszulassen. Sie startete ihre tatsächliche Berufung mit der dreijährigen Ausbildung in Kinesiologie und rundete dieses Wissen mit dem positiven Coaching-Ansatz der Lebens- und Sozialberatung ab. Ihr Konzept kam ihr in den Sinn, als sie beide Ausbildungen abgeschlossen hatte, ihre persönliche Abwärtsspirale überwunden war und sie sich an einem Punkt der Heilung befand. Sie erkannte: Hätte sie früher jeden Coaching- Ansatz befolgt, hätte sie sich viele Jahre voller Drama und Tränen ersparen können. Da war er plötzlich – der Name:„ungeniert lösungsorientiert".
Credit Titelbild: Taryn Elliott